Donnerstag, 20. Januar 2011

Mein haariger Restaurantbesuch

Meinen peinlichsten Restaurantbesuch erlebte ich, als ich meine Haare verlor.

Von der ersten Chemo waren ca. zwei Wochen vergangen, als die Haare nach und nach anfingen, abzufallen. Ganz ernst machten sie aber ausgerechnet in einem italienischen Restaurant. Ich ging nach der Blutabgabe alleine hin, weil ich nicht gefrühstückt und deshalb einen Bärenhunger hatte.

Plötzlich hingen immer mehr und mehr Haare in meinem Vitello Tonnato (das ist eine meiner Lieblingsspeisen), ich konnte sie kaum noch schnell genug wegräumen, der Appetit ließ dadurch auch schnell nach. Also fuhr ich mit der Hand immer wieder durch meine langen Haare und hielt jedes Mal einen ordentlichen Büschel in der Hand. Zunächst waren es noch nicht ganz so viele, so dass ich sie leicht schockiert, jedoch frech einfach unter den Tisch warf. In meine Handtasche wollte ich sie nicht reintun und die Serviette war mit dem Teller schon abgeräumt. Taschentücher, in die ich sie hätte einwickeln können, hatte ich nicht dabei. Es wurden aber immer mehr und mehr Haare, ich kam mir vor wie in einem Traum, in dem ich mal alle meine Zähne verlor. So viele wie aus meinem Mund herausfielen, musste ich im Traum mindestens hundert Zähne haben. Nun, in der Realität, sah es zum Schluss auf dem Boden aus wie in einem Frisiersalon. Was für ein Glück, dass für den nächsten Tag eh ein Friseurbesuch anberaumt war (nein, nicht um mir eine Dauerwelle verpassen zu lassen, sondern um mir die Haare abrasieren zu lassen und eine Perücke zu kaufen. Der Friseur hatte nach dem Zwischenfall dabei weniger zu tun als vermutet). Ich versuchte die Haare möglichst kompakt um ein Tischbein herum zusammenzuschieben und verließ das Lokal nach der Rechnung fast fluchtartig.

Es war ein echt nettes Lokal und auch noch ganz in der Nähe meiner Arztpraxis, aber solche spontanen Mittagessen bei diesem Italiener habe ich fortan schweren Herzens abgeschrieben. Vermutlich würden sie mich jederzeit wiedererkennen, die Schande, eine solche Sauerei hinterlassen zu haben, möchte ich nicht vis-á-vis auf mich nehmen. Vielleicht hätte ich die Haare doch in meine Tasche tun und die drei Stunden mit dem späteren Zusammenpulen aus der Tasche auf mich nehmen sollen. Ach, alles zu spät, alles zu spät, was soll diese nachträgliche Grüblerei. Aber vergessen habe ich das Ganze offenbar immer noch nicht.

1 Kommentar:

  1. Sooo interessant, Du solltest öfter schreiben. Ich geniesse Deine Texte.

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