Sonntag, 15. Mai 2011

Nach der Sendung ist vor der Sendung

Mittlerweile habe ich, hoffe ich, alle unglaublich lieben und netten Zuschriften beantwortet. Falls jemand untergegangen ist, bitte beschweren. Ich bemühe mich jedenfalls tatsächlich, immer zu antworten, insbesondere wenn jemand sich richtig Zeit genommen hat und lang und persönlich schreibt, kommt es - zumindest aktuell - für mich gar nicht in Frage, überhaupt nicht zurückzuschreiben. Ganz zu schweigen von denen, die mich nicht nur irgendwo gesehen oder gehört, sondern sogar mein Buch gelesen haben. Jedenfalls vielen Dank an alle.

Ganz überraschend und vermutlich aufgrund der SWR-Leute-Sendung bin ich prompt in noch einer Sendung des SWR zu sehen - 15.05, also morgen, in der Landesschau mit Jürgen Hörig. Ich soll ca. 19.30 Uhr drankommen.

Ich habe eine interessante Erfahrung gemacht. Nein, ich meine nicht nur meine erste Radioerfahrung, sondern: Entweder liegt es an meinem DVD-Recorder, oder ist es der Zahn der Zeit (im Zusammenspiel mit der Krankheit), der an mir bzw. auch an meinem Äußeren nagt. Jedenfalls war ich, wenn nicht gleich erschrocken, so doch verblüfft, als ich die TV-Aufnahme der "Leute"-Sendung von mir sah. Und das nicht nur, weil ich selbstverständlich auf die besten Antworten erst nach der Sendung kam und wie immer die Gedanken schneller waren als die Artikulation, so dass hie und da ein Stück meines Gedankengangs fehlt. Aber ich zermürbe mich mit so etwas nicht (mehr), zumal die Zuhörer es nicht so empfanden, und das war auch nicht der Grund, warum ich erschrocken war. Sondern wie alt, faltig und fremd ich aussah. Ich war vor jener Sendung einverstanden, als die Maskenbildnerin meinte: "Wir machen ein ganz natürliches und leichtes Make-up", und genau das hat sie wohl auch wunderbar hingekriegt. Aber am Montag lasse ich mich in der Maske jedenfalls ordentlich zukleistern.

Das ist wohl einer der Nebeneffekte, wenn man unerwartet so lange lebt wie ich: Man wird älter. Aber man hat einen so radikalen Schnitt im Leben erfahren, dass man sich manchmal dabei ertappt, sich zu wundern, dass man altert wie alle anderen auch. Als wäre man Dorian Gray, nur weil man plötzlich todkrank ist. Ich bin ja schon fünfeinhalb Jahre todkrank, also auch älter als damals. Und die Chemo macht nicht gerade schöner - was wundere ich mich also. Das ist mir ja alles auch gar nicht so wichtig, aber interessant finde ich es schon.

Diese Woche war überhaupt die Woche der Überraschungen für mich, im Sinne von „So leben gesunde Menschen“. Die haben mit Sachen zu tun, die ich nie mehr zu erleben erwartete, und nicht alles davon ist das, was Gesunde mit Glück erfüllt. Da ich mich immer über neue Erfahrungen freue (müssen nicht immer schöne sein), freute ich mich diese Woche unter anderem über:

1.      Meinen ersten Punkt in Flensburg wegen zu schnellen Fahrens. Ich war einfach übermütig ob der Sonne und der Schönheit des Lebens, hörte laut Musik, so dass ich das Ächzen meines Twingo-Motors nicht hörte, und außerdem kenne ich persönlich niemanden, der auf dieser schönen geraden Landstrecke tatsächlich 70 fährt. Dabei bin ich alles andere als ein Raser, und leider eierte an dem Tag auch überhaupt keiner mit 60 vor meiner Nase herum wie sonst immer. Und - prompt wurde ich rechts ran gewunken aus meinen herrlich unbeschwerten Gedanken. Ich habe überhaupt zum ersten Mal einem Polizisten meinen Führerschein zeigen müssen und einen Polizei-Kastenwagen von innen gesehen, also alles lauter Nova für mich (das Plural von 'Novum' habe ich ehrlich gesagt selber auch gerade nachschlagen müssen).

2.      Dass ich noch erleben darf, wie mein Pass (genau wie ich) seit dem Ausstellungsdatum fast zehn Jahre auf dem Buckel hat und deshalb einfach abläuft. Da dieser gleichzeitig auch mein Reisepass ist und man bei Fernreisen meistens mindestens sechs Monate Gültigkeit vorweisen muss, bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als ihn bald zu erneuern. Was nicht einfach ist, weil ich immer noch estnische Staatsbürgerin bin und dafür ordentlich Action machen muss. Mache ich aber gern.

3.      Dass ich für mein altes Autochen noch einmal TÜV machen muss. Vermutlich kriege ich ihn nicht, also habe ich ein Problem. Ein schönes eigentlich, denn damals schien es mir unwahrscheinlich, noch einmal zwei Jahre bis zum neuen TÜV-Termin zu erleben.

4.      Und es gab noch ein-zwei völlig prophane, für mich aber überraschende Sachen oder Entdeckungen, die mir allerdings gerade nicht einfallen. Mit dem Alter lässt ja das Gedächtnis nach. Finde ich okay und gerecht.

10 Kommentare:

  1. Hallo Iria,
    Du hast keineswegs alt und faltig ausgesehen. Du strahlst von Innen heraus lebendig und sinnlich, das macht nicht alt her. Allerdings finde ich die Perücke nicht vorteilhaft. Die Frisur passt zu Dir, aber man sieht aus fünf Metern Entfernung, dass es eine Perücke ist.
    Gruß, Roland

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  2. Hallo,

    Du wirst lachen (ich selbst musste es), aber das war meine alte Perücke, die ich eigentlich ausgemustert und nur aus Versehen angezogen hatte. Der Schnitt ist bei beiden der gleiche, aber dieser Mopp war echt abgetragen. Fiel mir aber erst nach der Sendung auf, als ich sie daheim wieder hinhängte. Bei der neueren erkennt man das nicht aus fünf, sondern nur zweieinhalb Metern Entfernung. Hoffe ich.

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  3. Hallo,
    ich musste gerade lachen. Das kann man doch ruhig erkennen, Du bist doch eh bekennende Knotenfrau (darf ich das so sagen?) wie meine Mulle. Ich bin nur ein sehr ehrlicher Mensch und sage und schreibe meist ungefiltert, was mir auffällt. Danke, dass Du das positiv aufgenommen hast. Bin auf Dich aufmerksam geworden, weil ich ein Buch schreibe über "Meine Frau, ihr Brustkrebs und ich" (Arbeitstitel). Ein Erlebnisbericht aus Männersicht, scheint mal was neues. Hab auch einen Blog "Busenfreund", hab ihn aber noch nicht am laufen. Warte auf Feedback.

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  4. Hallo,
    hier sind ein paar gute Laune-Songs zum Wochenende aus dem wuiden Süden (aber ohne Untertitel ;-) ):

    Du entschuldige I kenn di
    http://www.youtube.com/watch?v=L-zLCLKfkIY

    Pfüati Gott Elisabeth
    http://www.youtube.com/watch?v=BMplfqeOkvQ

    `s Leben is wia a Traum (Sch bum)
    http://www.youtube.com/watch?v=gH_BnKDGetM

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  5. Hallo Roland,
    zwar bin ich großer Freund von Wortspielen und Anspielungen, ‚Knotenfrau’ ist auch durchaus einfallsreich, aber etwas angestrengt. Außerdem hinkt der Begriff, denn es gibt kein gesellschaftlich-politisches Ziel, eine Brustkrebsquote zu erfüllen oder sie gar zu erhöhen. Auch wenn man Dein Wortspiel ebenso angestrengter Weise dahindrehen könnte, dass manche Frauen leider eben auch für diese Quote herhalten müssen.
    Ein Identifizierungspotenzial für mich besteht sowieso nicht, weil ich mich nicht mehr unbedingt als Brustkrebskranke, sondern eher als Universal-Krebs-Kranke sehe. Mit Metastasen verändert sich eben alles, es spielt keine große Rolle, welche Art Krebs der Auslöser war, auch wenn ich natürlich auch jetzt keinen Leberkrebs, sondern Brustkrebs in der Leber habe. Jedenfalls: Knoten in der Brust sind eine sooo ferne Vergangenheit für mich, zumal ich keinen Knoten, sondern zwei relativ große Tumore mit schlecht differenzierten Rändern hatte. Wäre also eher ein Euphemismus in meinem Fall. Trotzdem danke, dass Du hier an mich gedacht hast.
    Dein Arbeitstitel gefällt mir allerdings recht gut (Anspielung auf „Meine Braut, ihr Vater und ich“?). Vielleicht ist es wirklich was Neues (dazu humoristischer Duktus?), und mir fällt in der Tat auf Anhieb kein Buch von Männern zu diesem Thema ein. In dem Klassiker „Mut und Gnade“ schreibt Ken Wilber große Teile im Buch seiner (zum Schluss verstorbenen) Frau mit, aber auch da war die Lebenssituation eine andere als vermutlich Deine/Eure. Also schreib mal schön weiter, vielleicht fehlt so ein Buch ja wirklich noch völlig.
    Deiner Mulle (sie ist aktuell doch hoffentlich überm Berg, oder?) jedenfalls liebste Grüße von mir und alles, alles Gute.

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  6. Hallo Irja,
    gerade ist mir aufgefallen, dass ich Deinen Namen falsch geschrieben hatte, dabei ist der ganz schön. Mulle gefällt Knotenfrau, zumindest besser als Krebs- oder Tumordiesunddas. Vielleicht, weil sie der Meinung ist, dass Verstrickung eine Ursache für den Knoten ist. Hab bei Dir auch irgenwo was von Ver- oder Entknäuelung gelesen. Zufall? Vielleicht habe ich zuviel Fantasie, aber manchmal erfährt man doch einiges, wenn man genau hinhört.
    Ja, ist eine Anspielung darauf und man soll beim Lesen auch mal Schmunzeln können. Ich finde so ein Buch schon wichtig. Ich hätte gern so eins gelesen, habe aber keins gefunden. Entschlossen habe ich mich, als Mulle einen Tag nach der OP ihr Hemdchen hob und mir ihr "so seh ich jetzt aus" präsentierte. Sie wollte sich asap vergewissern, ob sie noch attraktiv für mich ist. Mit dem Schlauch der Redonflasche, der aus der Narbe rausbaumelte und den vielen Flecken und Blutkrusten war das aber kein schöner Anblick. Mir wäre lieber gewesen, sie hätte mir mitgeteilt, dass ich sie sehen kann, wann immer ich möchte, aber selbst entscheiden kann, wann ich soweit bin. Ich glaube schon, dass wir Männer selbst Anteil daran haben, wenn unsere Grenzen überschätzt werden. Da habe ich mich entschlossen, ein Buch aus Männersicht zu schreiben. Ich bin kein Schriftsteller und habe nur einfache Worte, aber ich habe wsa mitzuteilen. Und wenn es kein Buch wird, dann habe ich was verarbeitet, das hilft, ich spüre es. Und ich bin interessanten Menschen begegnet wie Dir - auch wenn es "nur" im Cyberspace ist.
    Meine Mulle hat nach sechs Chemo-Zyklen sehr starke Gelenkschmerzen und Chemogehirn. Zumindest nennen wir das so, wenn sie alles vergisst und sich nicht konzentrieren kann. Jetzt gibt es Hormontherapie und dann sehen wir weiter. Sie wird wohl nicht mehr berufstätig sein können. Ihr und mein Leben ist aber sehr viel besser geworden, viel sinnlicher, viel intensiver. Ich bestelle ihr Deine Grüße. Ich hatte Leute night aufgenommen für uns und ich habe Dein Buch gekauft. Ich möchte noch mehr verstehen, aber Mulle redet nicht viel über das Knotenthema. Und ich will sie nicht drängen. Dir auch alles Gute. Vielleicht sieht man sich ja mal, wir sind in Oberschwaben und die Welt ist klein. Und ich erkenne Dich aus zehn Metern Entfernung.

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  7. Ich möchte noch ergänzen, dass mein letzter Satz nicht als Drohung zu verstehen ist, sondern ich das eher so meinte, dass sich Deine Physiognomie, besonders die Augen mir sehr gut eingeprägt haben. Ja, ich liebe den Euphenismus und den schwarzen Humor. Mein Vater war Offizier und mit militärischer Erziehung ließ mein Leben oft nur mit Sarkasmus ertragen. Zunächst haben mich die Attribute "weibisch" und "schwul" gekränkt, weil ich zu meiner weichen Seite gestanden bin und das leben wollte. Später habe ich mich darüber gefreut, denn ich hatte beschlossen, nicht so zu werden wie er. Ich schreibe das, weil mir Deine Art, wie Du schreibst sehr gefällt. Das wollte ich Dir noch mitteilen.
    Ich wünsche Dir von Herzen alles Gute und mir, dass ich noch viel von Dir zu lesen bekomme. Mulle ist noch nicht über den Berg. Und sie leidet, erträgt es aber geduldig. Sie wird durch die Nebenwirkungen sehr eingeschränkt in Dingen, die sie geliebt hat. Und sie fühlt sich temporär als Verliererin. Ich habe ihr Dein Buch empfohlen, denn meine Liebe genügt nicht, damit sie sich besonders fühlt. Vielleicht gibt es ihr Impulse. Den Titel von Deinem Buch finde ich übrigens daneben, aber das Foto macht das wieder wett, denn es strahlt Zuversicht und Liebe aus.
    Liebe Grüße von Mulle.

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  8. Lieber Roland, bei Deiner Produktivität komme ich nie und nimmer mehr dazu, auf alles, was du ansprichst, zu reagieren, auch wenn es interessant ist. Vielleicht irgendwann später. Aber erst mal: Nimm bitte Mulle mein Buch sofort wieder weg und lies zuerst unbedingt und konzentriert den Beitrag, den ich nachher reinstellen werde. Dafür hast Du mir einen wichtigen Impuls bzw. den letzten Schubser gegeben, vielen Dank dafür.

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  9. Liebe Irja,
    oh jeh, was habe ich angerichtet. Ich hatte Urlaub und da ich gerade sehr viel am Buch geschrieben habe, viel gegrübelt und verarbeitet habe, habe ich wohl zurzeit einen hohen Aussprachedruck. Ich hatte niemand zum Reden und das Thema nimmt sehr viel Raum bei mir/uns ein. Es ist so aus mir herausgesprudelt und ich habe gar nicht erwartet, dass Du darauf explizit eingehst.
    Ich kann verstehen, dass Du Dir Sorgen machst, was Dein Buch für eine Wirkung haben kann, wenn es in die falschen Hände kommt. So gesehen finde ich den Titel angemessen abschreckend, denn man sollte davon ausgehen können, dass die Leserinnen keine kleine heile Welt erwarten mit Happy End.
    Bitte mach Dir aber keine Sorgen wegen Mulle. Sie ist eine starke Frau und wir reden sehr offen über Leben und Sterben. Sie ist in hochfrequenter psychoonkologischen Betreuung, geht in drei Selbsthilfegruppen und hat auch eine medikamentöse Unterstützung. Ich werde ihr Dein aber Buch nicht geben, ohne dass ich es gelesen habe und das verantworten kann. Das verspreche ich Dir, denn ich möchte Mulle nicht schaden und Dich nicht beunruhigen. Ich habe das bisher auch schon so gehandhabt und jedes Buch, das sie haben wollte vorher gelesen, bevor ich es ihr gegeben habe.

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  10. hallo irja, ich sitze hier vorm laptop mit einem riesen lächeln und muss immer wieder lachen während ich deinen neuesten blog lese!

    1. ab sofort freue ich mich über punkte in flensburg! werde bei nächster gelenheit versuchen welche zu ergattern :D!!

    2. ich brauche auch einen neuen pass, weil ich erstens kroatische staatbürgerin bin, aber gerade zur deutschen welchsle, zweitens im sommer heiraten will (und meinen namen wechsle). wenn´s dumm läuft werde ich zur deutschen nicht so schnell wechseln können, wie ich heiraten werde und dann müsste ich einmal meinen kroatischen pass erneuern (kostet immer zuviel), um ihn bald darauf vernichten zu müssen, um einen deutschen pass für 500 euro machen zu lassen. auch in diesem fall schneide ich mir mal ne scheibe von dir ab und freue mich darüber!

    3. ich rege mich immer darüber auf, dass ich kein auto habe. klettern is in wirklichkeit nämlich ein "motorsport", denn ohne auto kommst du meistens erst garnicht an den fels ran. hab grad heute morgen eine diskussion mit meinem freund darüber gehabt. er sagt immer "wir können uns kein auto leisten! versicherung, steuer, tüv, etc... ich werde ihm nacher mitteilen, dass es sogar freude ins leben bringen kann zum tüv zu müssen! :D

    4. deine gedanken sind schön. ich versuche schon seit einigen jahren ähnlich zu denken.

    liebe grüsse aus frankfurt,
    tamara :)

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