Dienstag, 5. April 2011

Von wegen "Tabula rasa"

Heute hatte ich Gelegenheit, dem Entstehen neuen Lebens beizuwohnen – ich war beim Kükenschlupf und bin immer noch ganz überwältigt. Wie muss es da noch sein, einem Elefantenbaby bei der Geburt zuzuschauen! (Oder Knut.)

Eine Frau, die auf der Neugeborenenstation gearbeitet hat, sagte mir mal, dass sie es für Blödsinn hält, den Neugeborenen als ein unbeschriebenes Blatt zu bezeichnen. Jedes Baby hat schon einen ausgeprägten Charakter, das könne man schon allein durch die Mimik und Gestik sowie die verschiedenen Arten des Schreiens feststellen: Der eine plärrt sich vor Wut heiser, der andere quäkt ganz leise und unentschlossen, der dritte gibt kaum einen Mucks von sich. Und der eine hebt permanent verwundert die Augenbrauen, der andere runzelt die Stirn oder die Nase, der dritte will nichts wissen, sondern immer nur seine Ruhe haben. Und die Milch natürlich. 

Selbst frisch geschlüpfte Küken bringen einen eigenen Charakter mit in diese Welt. Und der Überlebenskampf und der Kampf um einen Platz in der Gesellschaft gehen schon mit den ersten Lebensminuten los. Der eine liegt apathisch in der Ecke und versucht sich zu besinnen, woher er kam und wo er ist, und warum eigentlich. (Naja, so in etwa.) Der andere ist voller Elan, klettert über die anderen hinweg und steckt seine Nase überall hin. Dieses niedliche Wesen auf dem Foto, etwas klein geraten, aber bereits ein Querulant, hatte nichts besseres zu tun, als den anderen, der nicht so glücklich darüber war, wo er nach der ganzen Anstrengung gelandet war, mächtig auf Trab zu halten. (Vielleicht schon zu viel Testosteron im Körper.) Selber kaum Federn am Hintern, aber schon den Schwächeren fertig machen und auf ihm rumhacken.

Wie oben, so unten – falls man uns Menschen unbedingt als „oben“ bezeichnen möchte.

P.S.
Den Kreis kann man theoretisch auch erweitern. Ich stelle mir die Welt gerade also als eine Schrebergartenkolonie vor: Der eine Nachbar pflegt liebevoll seine Dahlien und ist lieber für sich allein, der andere wirft Müll über den Zaun, unterdrückt seine eigene Frau und die Kinder und proletet auf jeder Gartenparty herum, bis sie in einer Schlägerei endet. Die Vereinsvorstandsmitglieder appellieren an die Vernunft und holen sich ein blaues Auge. Die restlichen Nachbarn schütteln den Kopf und schwören sich, mit solchen Nachbarn nie wieder was zu tun haben zu wollen. Zumindest bis zur nächsten Party.

Ich hoffe, dass es irgendwo im Universum nicht heißt: "Ja, ja, die Erde! Was für ein dummer, ignoranter Nachbar! Denkt, er wäre der Größte, dabei ist er gerade dabei, seine Hütte abzufackeln. Naja, was soll’s, dann kriegt das Grundstück vielleicht endlich jemand Gescheites."


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