Dienstag, 8. Februar 2011

Mein aktueller Gesundheitszustand Februar 2011

Vor einer Woche habe ich mich verabschiedet mit der Aussage "Brauche morgen womöglich eine Bluttransfusion". Das kundzutun war ein Fehler und ich habe deshalb Schuldgefühle, zumal ich an der Bluttransfusion doch gerade so vorbeigeschrammt bin. Die Thrombozyten alias rote Blutkörperchen haben sich hochgerappelt bis fast an die Grenze des Minimumwerts, aber immerhin auf das Doppelte des Werts, bei der mein Arzt mir eine Transfusion verordnet hätte. Zwar sind sie am Donnerstag überraschend wieder abgesunken, ich hätte wahrscheinlich wieder täglich, inkl. Wochenende, zur Blutkontrolle gemusst, für alle Fälle gleich mit dem gepackten Krankenhausköfferchen, bin aber stattdessen mit Steffen nach Berlin gefahren. (So kennt man mich - ohne Füße nach Thailand fliegen und ohne Blut, das diesen Namen verdienen würde, nach Berlin fahren.) Was ich dort gemacht habe, erzähle ich vielleicht mal später, muss es erst mal sacken lassen.

Mir ist aber bewusst geworden, dass ich nun ein wenig Verantwortung trage, weil mich immer mehr Menschen beobachten und - Tatsache - wissen wollen, wie es mir geht. Zum Teil besuchen meinen Blog Menschen aus Ländern, in denen ich gar niemanden kenne. Das überrascht mich sehr. Vor nicht allzu langer Zeit dachte ich noch, ich schriebe für einige treue Freunde, für die eine Rundmail zu blöd wäre, und eventuell noch für irgendeinen Nerd aus der periferen Prärie Deutschlands ("perifer" habe ich nur hinzugefügt, weil es phonetisch so schön dazu passt - der Nerd könnte natürlich durchaus auch aus der zentralen Prärie stammen), der neben seiner Computerleidenschaft aus irgendeinem Grund leidenschaftlich gerne Geschichten von todkranken Wildfremden liest.

Allerdings war das letzte, was ich mit diesem Blog wollte, mir damit einen Klotz ans Bein binden, auf irgendeine Art Verantwortung habe ich momentan nämlich überhaupt gar keine Lust, ich wähnte mich frei zu schreiben, wenn ich Lust habe und zu schweigen, wenn ich wiederum dazu Lust habe. Nachdem so viele nachgefragt haben, wie es mir denn nun geht nach der Bluttransfusion, fühle ich mich aber mies. Hatte ja erstens keine, und war zweitens nach jenem Posting tagelang so schwach, dass ich nicht mal meinen Arm heben konnte, wenn ich mal etwas übertreiben darf (allerdings nicht viel), da war nix mit Schreiben. Und danach war ich ja in Berlin.

Genug entschuldigt. Zur "Strafe" versuche ich heute mehrere Postings zu schreiben, habe den ganzen Tag und Abend über immer wieder geschlafen und bin fit wie ein junges Rehlein. Mir geht es also wieder gut. Das heutige Ergebnis der Blutanalyse kenne ich nicht, aber wenn es schlecht gewesen wäre, hätte mein Arzt mich angerufen. Letzte Woche waren von 20 Werten 10 jenseits von Gut und Böse, aber es gab auch schon Zettel mit den Blutergebnissen, auf denen ich nach den Werten, hinter denen nicht ein -, --, + oder ++ stand, also "zu wenig", "viel zu wenig" oder "zu viel" oder "viel zu viel", regelrecht suchen musste.

Vor ein paar Jahren zum Beispiel kam das Ergebnis mal zu spät in der Praxis an. Ich saß zuhause und fühlte mich nicht mal richtig schlecht, überlegte gar, auf eine größere WM-Party von einem Freund zu fahren, verwarf den Gedanken dann aber aus Schlappheitsgründen doch noch. Da bekam ich einen Anruf aus der Praxis, wie es mir ginge, und man war hörbar erleichtert, als ich sagte: "Mir gehts gut". Ich hatte nämlich so gut wie gar keine Leukozyten im Körper, demnach auch so gut wie gar kein Immunsystem mehr, jede schnupfende Nase aus der Gesellschaft hätte mir fatal werden können. Krebskranke bzw. Chemopatienten sind ja ein wenig wie AIDS-Kranke, mit dem Unterschied, dass sie nicht ansteckend sind: Jede Infektion ist zu vermeiden, und eine Erkältung kann leicht zur Lungenentzündung und als Folge dessen zum Tod führen.

So komme ich aber nie zu mehr als einem Posting, und ich wollte ja heute fleißig sein. Die Strafe, mehr zu schreiben, ist aber durchaus nennenswert, weil mein rechter Daumen dermaßen dick und rot vor Entzündung ist (das ist er mit Pausen seit einem halben Jahr immer wieder, das machen die Chemos), so dass es mühsam ist, zu schreiben, jeder Tastenschlag tut weh. Die anderen Finger sind zum Teil auch wund, weil ich immer so fiese Längsrisse in den Nägeln bekomme, meine Fingernägel sehen aus, als würde ich pausenlos an ihnen herumkauen, und die Fingerkuppen sind auch mit kleinen Wunden übersäet, die nach nix aussehen, aber ziemlich wehtun. Alles Chemo, da kann ich ölen und schmieren wie viel ich will.

Also mache ich mich jetzt an die Arbeit und schaue, was ich zustande bringe.

P.S. Ich habe meinen Arzt letztens gefragt, wie viele Metastasen ich eigentlich im Moment in der Leber habe. Es sind neun. Und vermutlich ebenso viele, die man noch nicht im Ultraschall sieht, sondern die nur in der Computertomographie sichtbar wären. Seit ein paar Wochen haben wir allerdings einen Stillstand erreicht, was als großer Erfolg zu verbuchen ist. Die Referenzmetastase ist nämlich immer noch 4 cm groß. Das ist die, die direkt an der Gallenblase sitzt und immer gut erkennbar ist (deshalb Referenz, sie empfiehlt sich sozusagen), weil sie sich gegen das Zwerchfell (oder was ist direkt darüber nochmal?) wölbt. Das ist auch die einzige Metastase, die ich ab und zu spüre. Schmerzen tut sie nicht.

Leider wurde diese Chemo nun erst mal abgesetzt, weil sie zu gefährlich ist (Thrombozyten) und mich auch sonst zu sehr niederstreckt. Ich hoffe aber, sie in ein paar Wochen oder so wieder zu bekommen, sie hat die Tumormarker um über 20% runtergefahren, nach nur ein paar Wochen. So ist es immer bei mir - der Chemoerfolg, falls es einen gibt, zeigt sich schnell, der Niedergang allerdings noch schneller. Wenn es wieder losgeht, d.h. wenn ich gegen irgendeine Chemo schon wieder resistent geworden bin und ein Ersatz nicht wirkt, verdoppeln sich die Tumormarker immer alle 4-5 Wochen.

Aber so komme ich wirklich zu nichts, wenn ich dieses Posting immer länger werden lasse. Ich fange mal ein neues an, der Quantität wegen.

1 Kommentar:

  1. Schreibe, wenn du Lust hast und erlaube dir zu schweigen, wenn die Lust zur Last wird.

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